Koalas leben in Heimstätten (Home Ranges)
Koalas leben in komplexen sozialen Gruppen und sind nicht, wie oft angenommen wird, umherwandernde Tiere. Dass heißt, Koalas bleiben ihr gesamtes Leben sehr auf ihr angestammtes Territorium fixiert, wobei jedes Tier innerhalb einer Kolonie seinen eigenen kleinen Lebensraum – seine Heimstätte – besitzt.
Im Beispiel unten ist "Arnie" das dominante Männchen. Sein Revier ist mit 1km x 1000-400m und etwa 43 Hektar die größte Heimstätte in dieser Population und überlappt die Territorien der anderen Weibchen und Männchen. In der Paarungszeit durchstreift Arnie sein ganzes Gebiet in einer Nacht. Es handelt sich um eine gesunde, stabile, natürliche Population, in der die meisten Weibchen ein Junges in ihrer Umgebung haben, während bereits ein weiteres in ihrem Beutel heranwächst.
Wie auf der Abbildung zu sehen ist, fügen sich die Heimstätten der einzelnen Koalas wie ein Puzzle zusammen. Dies verdeutlicht, dass der Lebensraum ideale Bedingungen für das Überleben der dort ansässigen Population bietet. Sollte der Lebensraum jedoch auf irgendeine Weise verkleinert, gestört, auseinandergerissen oder beschädigt werden, so verringert sich auch die Überlebenschance jedes einzelnen Tieres.
Eine "Heimstätte" besteht aus einer Anzahl von Heim- und Nahrungsbäumen, die genau das Territorium des einzelnen Koalas kennzeichnen. Diese Bäume ernähren das Tier, bieten ihm Schutz und dienen als Raum für sozialen Kontakt mit anderen Koalas. Die Heimstätte des Koalas versorgt das Tier mit allem Lebensnotwendigen, meist bis an das Ende seines Lebens (immer unter der Annahme, dass der Wald vorher nicht gerodet oder anderweitig zerstört wird).
In einer natürlich stabilen Koala-Population überlappen sich die Heimstätten der einzelnen Tiere am Rande. Die Bäume in den überlappenden Gebieten, die sich ein Koala mit seinen Nachbarn teilt, spielen eine besonders wichtige Rolle, denn in ihren Kronen findet der soziale Kontakt zwischen den Tieren statt.
Die Größe der einzelnen Territorien hängt stark von der Qualität des Waldes ab. Die Qualität kann durch die Dichte der wichtigen Futterbäume gemessen werden. Grenzbäume, ähnlich wie die Pfähle bei einer Landvermessung, ziehen die Linien zwischen den Territorien der einzelnen Tiere. Diese Grenzen sind für uns Menschen oftmals nicht zu erkennen, die Koalas wissen jedoch immer genau, ob ein Baum zu ihrem Gebiet gehört oder zum Territorium eines anderen Tieres.
Selbst wenn ein Koala gestorben ist, werden die anderen Tiere das "leere" Revier für ungefähr ein Jahr nicht betreten, denn solange dauert es, bis der Witterungsgeruch und die Markierungen durch Kratzspuren an den Bäumen vollends verschwunden sind.
Sobald ein junger Koala geschlechtsreif wird, muss er das Territorium seiner Mutter verlassen und seine eigene Heimstätte finden. Sein Ziel ist es, eine andere Koala-Kolonie aufzuspüren, der er sich anschließen kann. Das Auffinden einer geeigneten Baumgruppe allein ist wertlos, solange nicht auch andere Koalas in nächster Nähe leben.
In jeder Kolonie gibt es auch einige nicht voll integrierte Tiere. Dabei handelt es sich meist um neuangekommene männliche Jungtiere, die zwischen mehreren Kolonien pendeln und an deren Randgebieten darauf warten, die Chance auf einen festen Platz in der Gruppe zu bekommen.
Jeder Nahrungs- und Heimstättenbaum in einer natürlich stabilen Koala-Population ist von großer Bedeutung für das einzelne Tier und für die gesamte Gruppe, in welcher der Koala lebt. Die Beseitigung von nur wenigen Bäumen kann das Gemeinschaftsleben empfindlich stören. Die Zerstörung ganzer Gebiete kann bereits die gesamte Population vernichten, denn beim Verlust ihrer Bäume schweben die Tiere in höchster Gefahr, einem Hund oder einem Auto zum Opfer zu fallen, sowie an Unterernährung bzw. anderen Erkrankungen zu sterben.
Wie in der Abbildung oben zu sehen ist, kann der Bau einer neuen Straße bereits mehrere Koala-Heimstätten auf einmal zerstören und dadurch das Ende der gesamten dort ansässigen Population bedeuten. Die Australian Koala Foundation bemüht sich unter anderem darum, den Planern bei neuen Bauprojekten beratend zur Seite zu stehen, um möglichst koala-freundliche Baulösungen zu finden.
Die Bäume sind das Zuhause der Koalas – sie sind ihr Schlafzimmer, ihre Küche und ihr Kinderzimmer! Wenn die "Heimatbäume" eines Koalas vernichtet werden, verliert er sowohl seine Nahrungsquelle, als auch seinen Zufluchtsort. Auf Grund der überlappenden Struktur der Koala-Heimstätten, kann ein Koala nicht einfach ein "paar Bäume weiter" ziehen, denn diese gehören bereits zum Revier eines anderen Koalas und sind nicht in der Lage beide Tiere gleichzeitig zu ernähren. Hindernisse, wie neugebaute Straßen oder Häuser, zerstören die Heimstätte des Koalas, indem sie den ungehinderten Zugang zu Nahrungsquellen und zu den schützenden Bäumen behindern oder abschneiden und außerdem die Gefahr eines Todes durch Krankheit, Hunde oder Autos erhöhen.